Niedersächsische Erklärung der Vielen 2019

Kulturinstitutionen aus ganz Niedersachsen haben die Erklärung für Weltoffenheit und freie Künste unterzeichnet – so auch der IQ.

21.03.19 Hannover: Wir sind viele / Foto: Moritz Küstner
21.03.19 Hannover: Wir sind viele / Foto: Moritz Küstner

Am heutigen »Internationalen Tag gegen Rassismus«, der 1966 von der Generalversammlung der UN ausgerufen wurde, verabschiedeten 45 Kulturinstitutionen und Einzelpersonen, die im kulturellen Bereich arbeiten, die »Niedersächsische Erklärung der Vielen«. Es ist eine regionale Neufassung der bereits im November 2018 veröffentlichten »Berliner Erklärung der Vielen« Die Erklärung richtet sich gegen ideologische Bevormundung, menschenverachtende Propaganda und extremistische Bedrohung der freiheitlichen Gesellschaft und für die Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einem weltoffenen Deutschland.

 

»Mit unserer Erklärung zeigen wir uns solidarisch mit allen Kulturinstitutionen, die bereits aktiv gegen Anfeindungen, besonders aus dem rechten politischen Spektrum, vorgehen müssen. Die Kunst muss frei bleiben und darf nicht für eigene Zwecke instrumentalisiert werden«, sagte Schauspielintendant Lars-Ole Walburg, der bei der Neufassung der niedersächsischen Erklärung federführend war.

 

WIR SIND VIELE – JEDE*R EINZELNE VON UNS!

 

Den vollständigen Text „Niedersächsische Erklärung der Vielen“ in der deutschen und englischen Fassung finden Sie unten. Die Erklärung inklusive aller Unterzeichnenden finden Sie auch unter www.dievielen.de/erklaerungen/niedersachsen. Mehr Informationen zur Initiative „Die Vielen“ finden Sie unter www.dievielen.de.


Niedersächsische Erklärung der Vielen

Ich wäre gerne auch weise

In den alten Büchern steht, was weise ist:

Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit

Ohne Furcht verbringen

Auch ohne Gewalt auskommen

Böses mit Gutem vergelten

Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen

Gilt für weise.

Alles das kann ich nicht:

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

Bertolt Brecht (1939)

 

Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland ist eine positive. Unser Land ist bunter geworden und weltoffener. Daraus resultieren neue Fragen zum gesellschaftlichen Miteinander, für die wir gemeinsam Antworten finden müssen. Diese Anstrengung wird allerdings zunehmend auch von Populist*innen unternommen, die Ängste schüren und die eingeschlagene Entwicklung zurückdrehen wollen. Diesen Kräften wollen die niedersächsischen Kulturinstitutionen mit ihrem Handeln entgegenwirken und sich mit vermittelnder und aufklärerischer Haltung einbringen. Demokratie ist nie ohne Widersprüche und muss täglich neu verhandelt und verteidigt werden. Als Kulturschaffende sind wir uns unserer Verantwortung diesbezüglich bewusst. Nach zwei Diktaturen auf dem Boden dieses Landes, der faschistischen Gewaltherrschaft mit immensen Verbrechen und einer sozialistischen Diktatur, sind wir in besonderer Weise sensibilisiert. Jeglicher ideologischen Bevormundung, menschenverachtenden Propaganda und extremistischen Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft treten wir entschieden entgegen, auch mit unserer künstlerischen Arbeit. Indoktrination, gleich welcher Art, wehren wir ab. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist eine der wichtigsten Errungenschaften und Voraussetzungen unseres Gemeinwesens. Sie ist unabdingbar, gerade auch für die Kunst. Mit ihren gelegentlich auch provokanten Ideen und Utopien treibt sie die notwendige gesellschaftliche Entwicklung mit voran. Die vom Grundgesetz garantierten Rechte dabei vehement zu verteidigen, ist unsere Aufgabe. Dezidiert werden wir uns daher immer wieder ausdrücklich und mit den Mitteln der Kunst gegen die Diffamierung Andersdenkender, gegen rassistisch motivierte Gewalt, gegen die Unterdrückung sexueller Orientierungen, gegen Zensur und für das Recht auf freie Meinung positionieren. Mit dieser Haltung wollen wir gemeinsam mit vielen anderen Kulturinstitutionen in Deutschland dazu beitragen, unsere freiheitliche Grundordnung zu bewahren und damit auch die Freiheit der Künste.

 

Was wir konkret tun wollen:

  • Als Unterzeichner*innen sind Kultureinrichtungen, Kunstinstitutionen, Theater, Museen und Interessenvertretungen oder Verbände,
  • Künstler*innengruppen sowie Einzelpersonen angefragt. Eine Unterzeichnung ist natürlich auch noch nach der Veröffentlichung möglich.
  • Mit der Unterzeichnung erklären sich die Leitungspersonen oder das Leitungsteam bereit, den Text der Erklärung innerhalb der eigenen Organisation unter Mitarbeiter*innen, Ensemblemitgliedern, Kurator*innen, Publikum und Besucher*innen bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen.
  • Die Unterzeichnenden verpflichten sich zu gegenseitiger Solidarität mit Kultureinrichtungen und Akteur*innen der Künste, die durch Hetze und Eingriffe in die Freiheit der Kunst unter Druck gesetzt werden und wehren Versuche von wem auch immer ab, Kultur für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.
  • Die Erklärung wird am 21. März 2019 auf der Internetseite, im Programmheft, als Aushang im Foyer, via Pressemitteilung usw. veröffentlicht, die Gestaltung der „Vielen“ wird in der Haus- und Webgestaltung aufgegriffen. Die Unterzeichner*innen werden auf der Homepage dievielen.de sichtbar gemacht.
  • Die Unterzeichnenden bleiben durch regelmäßige Treffen im Austausch miteinander und beteiligen sich an der bundesweiten Kampagne zur „Glänzenden Demonstration der Kunst und Kultur – Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ in Berlin am 19. Mai 2019. Sie führen den offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über Strategien, die die Gesellschaft der Vielen angreifen und dadurch die demokratischen Grundwerte untergraben. Sie gestalten diesen Dialog mit Mitwirkenden und dem Publikum in der Überzeugung, dass die beteiligten Institutionen den Auftrag haben, unsere Gesellschaft als eine demokratische fortzuentwickeln.

The Lower Saxony Declaration of the Many

The development of our society is a positive one. Our country is now more diverse and liberal-minded. As a result, new questions concerning the social coexistence need to be answered. The process of asking questions and finding the answers is more and more taken over by populists who cause anxiety and insecurity. The cultural institutions of Lower Saxony want to fight against these powers and work together with a progressive and mediative approach. Democracy doesn’t work without contradictions and needs to debated and defended everyday anew. As people working in the field of culture we are very much aware of our reponsibility. After two dictatorships in this country, the fascist tyranny with immense crimes and a socialist dictatorship, we became sensitive for these movements in a special way. We are strictly against every ideological dictation, inhuman propaganda and extremist danger for our liberal society, also with our artistic work. We fight off indoctrination of every kind. Freedom of expression is one of the most important achievements and a basic requirement of our community. This freedom is inalienable, especially for the arts. Art often causes provocative ideas and utopias and therefore is an essential part of the development of our society. It is our duty to protect and defend the rights of our constitution. With help of the arts we always fight against the defamation of the other, against racial violence, against oppression of sexual orientation, against censorship, but always for the right of the freedom of expression. Together with many other cultural institutions in Germany we want to protect our liberal fundamental order and with that the freedom of the arts.

  • All cultural institutions, theatres, museums and associations, groups of artists and individuals are asked to be a signatory. It is of course possible to sign after the publication.
  • With their signatures, the leadership or leadership team agrees to circulate the declaration within their organisation, promoting discussion with employees, company members, curators, audiences and the public.
  • The signatories are obliged for mutual solidarity with cultural institutions and people in the arts who are victims of hate campains and suffer from
    restrictions of the freedom of art. The signatories fight against all attempts to instrumentalize art for individual aims.
  • The declaration will be published March 21st 2019 on the website, in theatre programmes, as posting in the foyer and via press release. The design of the „Many“ will be included in the institutional webdesign. The signatories are published on the website dievielen.de.
  • The signatories are standing in permanent exchange and are part of the national campaign in Berlin on May 19th 2019: „Glänzende Demonstration der Kunst und Kultur – Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ („Glittering demonstration of the arts and culture – solidarity over privileges. It’s about all of us. Freedom for the arts!“) They lead on an open and critical dialogue focussing on strategies that attack the society of the Many and so undermine the democratic values. The signatories organize this dialogue with participants and the audience in convictions that the involved institutions have the mission to develop our society further into a democratic one.